In der Diskussion um den Ort der Ansiedelung eines neuen Fachmarktzentrums in Pegnitz ist eine heiße Debatte entbrannt, die teilweise fernab jeder sachlichen Basis geführt wird. Um aber wieder zurück auf diese zu kommen, finden Sie hier die Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden Uwe Raab zum nachlesen.
Zu Beginn meiner Stellungnahme entschuldige ich mich für die voreilige Zustimmung zur Herstellung des gemeindlichen Einvernehmens für das neue Fachmarktzentrum, auch im Namen meines Fraktionskollegen Karl Lothes, im Verwaltungsausschuss am 28.03 diesen Jahres.
Im Verlauf der sich anschließenden Entwicklung sind wir zu einer anderen Beurteilung der Gesamtsituation gekommen, in zweierlei Hinsicht.
Erstens: schon ohne die Folgeentwicklungen, auf die ich gleich eingehen werde, hat dieses Projekt in Sachen Stadtentwicklung und Stadtplanung eine Dimension, der eine einfache Behandlung im Verwaltungsausschuss, ein einfacher Bauplan im Kombination mit dem §34 Baugesetzbuch nicht gerecht wird. Der §34, so lassen es Fachleute verlautbaren, wird immer dann angewendet, wenn ein Bebauungsplanverfahren umgangen werden soll. Ein Bebauungsplanverfahren aber hätte die Beteiligung der Öffentlichkeit beinhaltet, die sich hier ausgeschlossen fühlt und diesem Projekt kritisch und ablehnend gegenüber steht und die erforderliche Transparenz und Mitsprache vermisst. Um die breite Meinung zu zitieren: „Wir fühlen uns schlicht überrumpelt. Das ist eine Missachtung der Mitsprache der Bürger.“
Außerdem ist die Verwendung des §34 auch inhaltlich kritisch zu hinterfragen, sagt er doch aus, dass die Erschließung gesichert sein müsse und sich das Bauvorhaben in die Umgebung einpassen müsse. Hinsichtlich der beiden in Folge geschalteten Kreisverkehre werden zu den täglichen Spitzenbelastungszeiten massive Rückstauungen befürchtet und die Einpassung in die ortsübliche Bebauung ist ausschließlich beurteilt an das im Süden angrenzende Admira-Center, nicht aber an der Wohnbebauung in den anderen drei Himmelsrichtungen.
Zweitens: Die Folgeentwicklung seit dem 28.03. ist schon jetzt durch eine Reihe von Schicksalsnachrichten gekennzeichnet, die wir in unserer Beurteilung zu bewerten haben:
- Die BayWA hat zum Ende dieses Monats die Schließung angekündigt.
- Der Möbelmarkt im PEP sieht keine Zukunft an diesem Standort und erwägt die Verlagerung in den nördlichen Landkreis.
- Die HNO Arztpraxis Neubig hat im Falle einer Auflassung des bestehenden Gebäudes auf dem Küfnergelände die Aufgabe seiner Praxis und der belegbetten am Krankenhaus angekündigt.
- Im K+P laufen die Mietverträge zeitnah aus und man braucht kein Prophet zu sein, um hier zu einer negativen Zukunftshypothese zu gelangen.
Im Ergebnis heißt das, dass dem gesamten Handelsgelände im Pegnitzer Norden die Lebensgrundlage entzogen wird, dass es zerstört wird und zu einer Schutthalde verkommt. Die Innenstadt verliert ihren Flankenschutz im Pegnitzer Norden, einhergehend mit weiteren Kunden- und Frequenzverlust. Das kommt einem Öffnen der Pulsadern mit entsprechendem Ausbluten der Innenstadt gleich, und das offenen Auges unter Kenntnis der Umstände. Der Innenstadthandel ist gekennzeichnet von Existenzängsten und Existenznöten, die sich durchaus im Zuge der Errichtung des Admira-Centers schon eklatant verschärft haben.
Selbst das Admira-Center erbringt, wie aus Fachkreisen zu vernehmen ist, nicht den erwünschten wirtschaftlichen Erfolg. Das alles sind Hinweise darauf, dass ein Sättigungsgrad erreicht ist und die Schaffung a) weiterer Flächen und b) vor allem denkbar ungünstiger Standorte dem Todesstoß der Geschäfte in der Innenstadt und dem Pegnitzer Norden gleich kommt.
Die akuten Existenznöte in der Innenstadt führen als Bestandteil, zusammen mit Entwicklungen des Einzelhandels in den Nachbarstädten Auerbach, Pottenstein, Creußen und letztlich Forchheim zu einer Infragestellung der Grundlagen des damaligen SEEK aus dem Jahre 2002 und in der Konsequenz zu der Erkenntnis, dass dieses dringend einer Aktualisierung bedarf, um zu einer zeitgerechten Beurteilungsgrundlage herangezogen werden zu können.
Mit dieser Überleitung komme ich nun zur Verfahrenspraxis, die gleichermaßen kritisch zu hinterfragen ist, wie das gesamte Projekt.
Am 28.03. lag keine hinreichende Aussage darüber vor, ob und wie sich die neu geplanten Flächen in das SEEK einpassen. Es gibt offensichtlich eine Begutachtung durch die BBE Handelsberatung GmbH München, die dem Stadtrat nicht vorgelegt wurde, und somit auch nicht in die Entscheidungs- und Meinungsfindung durch den Verwaltungsausschuss einfließen konnte. Neben der Vorlage dieses Gutachtens bestehen wir auf eine unabhängige Überprüfung, da dieses Gutachten natürlich vom Antragsteller in Auftrag gegeben wurde und es sich bei der BBE um eine Tochterfirma des einschlägigen Fachverbandes handelt. Dabei sollten insbesondere die Aufgabenbeschreibung und die zu begutachtenden Vorgaben überprüft werden. Die Beurteilung der Regierung von Oberfranken ist mit Schreiben vom 07.05. datiert, und stand damit für die Beurteilung in der VwA-Sitzung am 28.03. nicht zur Verfügung.
In diesem Schreiben der Regierung wird im 4. Absatz darauf hingewiesen, dass in einem weiteren Schritt zu überprüfen sei, ob von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sind. Für Pegnitz ist diese Frage klar zu beantworten: Der Pegnitzer Norden wird geschrottet und die Innenstadt wird folgen.
Eine Einzelfallbetrachtung dieses Projektes ist in Anbetracht der kaskadenartigen Folgewirkungen aus städtebaulicher und stadtentwicklungsbezogener Sicht nicht ausreichend. Eine gutachterliche Gesamtbetrachtung ist dringend geboten.
Warum wurde nicht wenigstens auf die Empfehlung des Landratsamtes eingegangen, Klärungen im Rahmen einer Bauvoranfrage herbei zu führen? Das ist eine insgesamt nicht tolerierbare Verfahrenspraxis, die hinsichtlich möglicher Verfahrensfehler überprüft werden muss, weil wesentliche Informationen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlagen. Ein auf diese Weise zustande gekommenes gemeindliches Einvernehmen ist das Blatt nicht wert, auf dem es steht.
Es stellt sich die Frage, was nützt den Investoren ein neues Fachmarktzentrum, das von den Menschen nicht gemocht wird, das auf Dauer Spannung und Konflikt in unserer Stadt hervorruft, das tägliche Rückstauungen zur Folge hat, das die Existenz des Pegnitzer Nordens und in der Folge die Existenz der Innenstadt zerstört. Damit werden sie nicht glücklich. Ich kann ihnen nur empfehlen: Lassen Sie die Finger davon.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob denn mit den Investoren dahingehend gesprochen wurde, was ein Kernstück unseres Antrages war. Nämlich eine Denkpause, ein Moratorium anzuregen, um die Gesamtsituation im Sinne einer Befriedung der befürchteten Szenarien und im Sinne einer Perspektive mit alternativen Lösungsansätzen zu beraten und dabei in mehrfacher Hinsicht win and win Situationen zu schaffen.
Was bedeutet es nun, in mehrfacher Hinsicht win and win Situationen zu schaffen:
- Wir wollen OBI erhalten, wir wollen Rewe erhalten, wir wollen aber vor allem strategisch gut verteilte Einzelhandelsstandorte erhalten, d.h. das PEP in Verbindung mit K&P und Aldi im Pegnitzer Norden, um den Flankenschutz für die Pegnitzer Innenstadt zu gewährleisten und die Innenstadt darauf aufbauend neu zu vitalisieren.
- Der Umzug von OBI macht aus Sicht der Einzelhandelsstruktur Sinn, da er eh nicht der klassische Innenstadtbringer ist.
- Dafür sollte an die Stelle von OBI ein innenstadtrelevantes Sortiment des täglichen Bedarfs angesiedelt werden. Das sind in der Regel Lebensmittler.
- Die Bevölkerung braucht die bisher strategisch kluge lokale Aufteilung der Einzelhandelsstandorte in Pegnitz, da ein größer werdender Anteil, einer immer älter werdender Gesellschaft, eben nicht mehr mit dem Auto zum Einkaufen fahren, sondern auf kurze Wege mit ihrem Trolli angewiesen sind.
- Diesem Gedanken folgend ist die einzig sinnvolle handels- und stadtentwicklungsbezogene Lösung eine Rochade von OBI und Rewe unter Erhalt des PEP, unter Erhalt der Innenstadt als Brückenschlag zwischen dem Süden und dem Norden.
- Das Gelände PEP und K&P braucht eine gemeinsame Aufplanung und eine gemeinsame Zukunft. Alleine im PEP könnte wohl der gesamte Handel, der auf dem Dörfler-Küfner-Gelände an denkbar ungeeignetster Stelle organisiert werden soll, aufgenommen werden, inklusive der Fläche für einen Müllermarkt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
für die entsprechende Umplanung und Neukonzeptionierung des PEP liegen uns fertige Pläne vor. Für eine Einbeziehung des K&P, in Persona des Wolfgang Wiesend, liegt die Bereitschaft des auftrag gebenden Generalbevollmächtigen der PEP-Umplanung vor, diesen mit ins Boot zu holen. Mit einem Umzug von Rewe in den Pegnitzer Norden wäre dieser ebenfalls einverstanden, insbesondere in Anbetracht der Verärgerung, die auf Edeka Seiten darüber herrscht, dass weder sie noch die Eigentümer des PEP von den Entwicklungen auf dem Dörfler-Küfner-Gelände in Kenntnis waren, obwohl auch sein Planungsbüro in der Stadtverwaltung und in deren Kenntnis ein und aus gegangen ist. Mit Verlaub, so kann man nicht mit Menschen umgehen, so kann man nicht mit der Zukunft dieser Stadt umgehen.
Aus Edeka-Vorstandskreisen fielen überlieferter Maßen schon die Worte, dass Edeka keinen Fuß mehr nach Pegnitz setzen werden, wenn das neue Fachmarktzentrum auf dem Dörfler-Küfner-Gelände entstehen sollte. Wir könnten mit etwas Verhandlungsgeschick, und zwar besten Falls im Einvernehmen mit den Investoren des Dörfler-Küfner-Geländes, mit Aldi, PEP und K&P funktionale Zusammenhänge für das dortige Gelände, für die Menschen dieser Quartiere und in der Fortfolge für die Innenstadt mit entsprechender Frequenz organisieren.
Die Rechnung ist einfach: Ohne PEP geht der Stabilisierungsfaktor für die Innenstadt verloren, mit einem attraktiven Einzelhandelszentrum als Flankenschutz können die Voraussetzungen für ein Überleben der Innenstadt geschaffen. Das entspricht den berechtigten wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten und den Herzen der Menschen dieser Stadt. Bleibt offen, was auf dem Dörfler-Gelände entwickelt werden kann. Ich weiß von Pegnitzer Firmen, die aus allen Nähten platzen und dringenden Raumbedarf artikulieren.
Liebe Kolleginne und Kollegen,
ich bitte Sie umzudenken. Schaffen Sie heute hier nicht Voraussetzungen unter denen Pegnitz auf Dauer zu leiden hätten. Lassen Sie das Schienbeingetrete heute bei Seite. Es hilft keinem weiter. Ich habe den Antrag der SPD Fraktion an Bürgermeister Thümmler nicht persönlich überreichen können, da er zu diesem Zeitpunkt nicht im Rathaus war. Im Rahmen eines Telefonates aber habe ich ihn mit den berühmten Luther-Worten: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ angekündigt. Es führe jetzt in der Dramaturgie zu weit, diesen Plan hier an die Rathaustür zu nageln.
Aber ich wollte damit den Tiefgang einer Gewissensentscheidung in meiner Person und meiner Fraktion verdeutlichen, die ich Ihnen darlegen möchte, damit sie sich diesem anschließen können. Es ist keine Schande, wenn neue Erkenntnisprozesse zu einer neuen Meinungs- und Entscheidungsfindung führen. Im Gegenteil, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das zeugt von Reife und Rückgrat.
Wenn sich Lösungspotentiale in einer derartigen Sinnhaftigkeit und Dimension anbieten kann ich schon fast nicht mehr von Denkpause, wie in unserem Antrag formuliert, sprechen, sondern muss dieses Umdenken und diesen Vorstoß als „Aktion Reißleine“ bezeichnen. Dennoch, ich bitte Sie um Zustimmung zu einem Moratorium, damit entsprechend Zeit für Nachverhandlung gewonnen wird unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände und Folgewirkungen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte Sie um Zustimmung.