Aus Anlass des 100Jährigen Bestehens des SPD- OV Pegnitz im Jahre 1998 erschien in der dazu veröffentlichten Festschrift eine ausführliche Chronik unserer Ortsgruppe. Lesen Sie hier einen Auszug aus dieser Chronik.
Die Gründung eines SPD- Ortsvereins in Pegnitz erfolgte relativ spät, erst knapp neun Jahre nachdem der Reichstag eine Verlängerung des Sozialistengesetzes abgelehnt hatte. Dies hing damit zusammen, dass durch den Anschluss an das Bahnnetz 1877 und den Aufbau des Zweigwerkes der „Armaturen- und Maschinenfabrik AG Hilpert- Nürnberg“ also der „AMAG“, die heute zum KSB- Konzern gehört, mit dem Zuzug vieler Arbeitsuchender auch in Pegnitz eine „Neue Zeit“ anbrach.
Mit einem „Plakat“ von der Größe etwa eines DIN A3- Blattes wurden die Pegnitzerinnen und Pegnitzer in den letzten Novembertagen des Jahres 1898 auf die „Gründung eines sozialen Wahlvereins“ aufmerksam gemacht. Links im Bild sieht man eine Rekonstruktion nach dem Original. Der „Einberufer“ war Hermann Schlenkrich, einer der späteren Gründungsmitglieder, als Referent wurde Herr Hermann aus Nürnberg angekündigt.
Die „Große Öffentliche Volksversammlung“ sollte am Samstag, den 3. Dezember Abends um halb acht im Gasthaus zum schwarzen Adler bei Frau Pflaum, heute Pflaums Posthotel, stattfinden. Am 3. Dezember 1898 also gründeten 22 Männer im kleinen blauen Stübchen den „Sozial Demokratischen Wahlverein“ in Pegnitz. Aus dieser Gründungsversammlung wurde folgende erste Vorstandschaft des sozialdemokratischen Vereins Pegnitz gewählt:
1. Vorsitzender Hermann Schlenkrich, Kassier Johann Geyer, Schriftführer Heinrich Gaab, Revisor Hermann Wiese, Revisor Alois Menze.
Von Anfang an hatte die Obrigkeit ein wachsames Auge auf den sozialdemokratischen Verein. So musste der neugegründete Vorstand Geburtsort, „Geburtszeit“ und Heimat des Vorstandes mitteilen und erklären, wann und wo die satzungsmäßigen Versammlungen stattfinden.
Der neugegründete politische Verein erschien dem Bezirksamt so wichtig, dass der königliche Regierungsrat Gerber noch am heiligen Abend des Jahres 1898, dem Gründungsjahr, ein Schreiben an den Magistrat der Stadt Pegnitz richtete mit der Bitte, die Tätigkeit des Vereins zu überwachen und irgendwelche „bedenkliche Wahrnehmungen“ anzuzeigen.
Der Geschäftsbericht der SPD- Franken für die Jahre 1908 - 1911 befasste sich u.a. mit den Wahlen zu den Gemeinderäten: „Glänzend hatten sich die Genossen in Pegnitz geschlagen, wo es gelang neben 5 Kollegiumssitzen 2 Magistratssitze zu erobern“, so kommentierte der SPD- Geschäftsbericht das Pegnitzer Wahlergebnis.
Bei den folgenden Ergänzungswahlen im Jahre 1911 konnte die Partei einen weiteren Kollegiumssitz hinzugewinnen, verlor dafür aber einen Sitz im Magistratsrat.
Diese weithin beachteten Erfolge der Pegnitzer SPD waren neben der erfolgreichen politischen Aufklärung - die Parteien verwendeten zur damaligen Zeit eher den Begriff „Agitation“- durch die führenden Persönlichkeiten, allen voran Hans Gentner, auf eine große Mitgliederzahl zurückzuführen, die allerdings auch Schwankungen unterworfen war. Im Jahre 1908 waren es noch 122 Mitglieder, diese Zahl fiel bis zum Stichtag 30.6.1909 auf 90 Mitglieder, davon 5 weibliche Mitglieder.
Am 7.12.1924 wurde Hans Gentner (geb. 26.1.1877, verstorben 24.8.1953) erstmalig zum Bürgermeister gewählt. Seit Gründung der Pegnitzer SPD bis zu ihrem Verbot im Jahre 1933 und wiederum in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg war Hans Gentner die führende Persönlichkeit, verehrt von den eigenen Anhängern und geachtet von den politisch Andersdenkenden.
Diese breite Zustimmung war es gerade, die Hans Gentner in hohe Staats- und Parteiämter führte. Sie alle aufzuzählen würde den Rahmen dies Auszugs aus der Chronik sprengen, die wichtigsten Funktionen sollen dennoch genannt werden: 1902 wurde er als erster Sozialdemokrat in das Pegnitzer Gemeindekollegium gewählt, Bürgermeister von Pegnitz von 1924 bis 1933; nach 1945 bis zur Kommunalwahl 1946 wird er als kommissarischer Bürgermeister für Pegnitz eingesetzt; von 1912 bis 1933, mit einer Unterbrechung
von 1920 bis 1924 war er Mitglied des Bayerischen Landtages, von 1918 bis 1919 Staatsrat im bayerischen Landwirtschaftsministerium, am 10.1.1947 Berufung zum Staatssekretär für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten in das Kabinett Erhard, bis zu seinem Tode Mitglied des bayerischen Senats.
In einem Flugblatt, überschrieben mit den Worten „Zum Nachdenken“, mit dem er sich an die Pegnitzer Bevölkerung wendet, wehrt sich Hans Gentner 1931/32 noch einmal gegen die heraufziehende braune Gefahr. Stolz präsentiert er eine Bilanz des von der Stadt Pegnitz Geleisteten, vergleicht mit der „Hitlerstadt Coburg“ und bezeichnet die Hakenkreuzlerei als eine schwere, politische Volkskrankheit, die unweigerlich zum Tode führe.
In der politischen Gemeinde erfolgte die „Machtübernahme“ durch die Nazis in der Stadtratssitzung am 17. März 1933. Bürgermeister Hans Gentner war tags zuvor in Bayreuth, hatte wohl von Gerüchten der Machtübernahme gehört und wusste was ihn erwartete, wenn er in Pegnitz erkannt werden würde. In Pegnitz angekommen ging Gentner zu seinem Nachbarn Preisinger, da zu Hause schon die SA- Leute ihm auflauerten. Von seinem Nachbarn begleitet, eilte der Pegnitzer Bürgermeister nach Michelfeld und fuhr von dort mit dem Zug zu seinem Schwiegersohn Max Sommer nach Freilassing und ließ sich über die Grenze nach Österreich schmuggeln.
Der Nationalsozialist Heiß, nachmals der erste braune Bürgermeister in Pegnitz, brachte nunmehr einen vorbereiteten Antrag ein, der folgenden Wortlaut hatte: „Mit Rücksicht darauf, dass der 1. Bürgermeister Hans Gentner bei Durchführung der nationalen Revolution Pegnitz flüchtend verlassen hat, hat er sich selbst seines Amtes enthoben. Dadurch ist für Pegnitz im Hinblick auf die Weiterführung der Geschäfte der Stadt ein Notzustand entstanden, dessen Beseitigung sofort herbeizuführen ist.
Der Stadtrat beschließt daher zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung und zur Vermeidung von Störungen im allgemeinen Gang der Stadtgeschäfte, dass dem gesetzlichen Stellvertreter des 1. Bürgermeisters, nämlich dem 2. Bürgermeister Pflaum, das Stadtratsmitglied Heiß zur Wahrnehmung der Funktionen des 1. Bürgermeisters beigegeben wird. Darauf nimmt 2. Bürgermeister Pflaum alle Dienstgeschäfte und Funktionen der Stadt nur im Einverständnis mit Stadtratsmitglied Heiß vor.“
Ferner sah der Antrag von Heiß vor, dass 2. Bürgermeister Pflaum und Stadtrat Heiß ermächtigt werden sollten, auch ohne Stadtratsbeschluss alle Obliegenheiten durchführen. Stadtrat Schwindl bat um einige Minuten Bedenkzeit, da dieser Antrag völlig überraschend gekommen sei. Dies lehnte Stadtrat Heiß ab. Daraufhin verließen die SPD- Stadträte die Sitzung, da wie Stadtrat Schwindl erklärte „ ... die weitere Teilnahme keinen Wert habe, weil sie kein Stimmrecht mehr haben.“
Als wenige Tage später die Hakenkreuzfahne an der Giebelseite des Rathauses aufgezogen wurde, war für jeden sichtbar, dass die sozialdemokratische Ära in Pegnitz zu Ende gegangen war und die Herrschaft der Nationalsozialisten begonnen hatte.
Besonderen Stellenwert hatte die „Jagd“ auf die SPD- Fahne, die Ludwig Wild heimlich vor der SA aus dem Gasthaus Stern retten konnte , bei sich zu Hause versteckt hatte, jedoch von Wilhelm Bütten vor dem Zugriff der SA in Sicherheit gebracht wurde. Nachdem mehrere SPD- Mitglieder daraufhin verhaftet worden waren, gab Wild das Versteck preis und die Verhafteten wurden gegen Herausgabe der Fahne freigelassen.
Die Fahne selbst wurde vor dem Pegnitzer Rathaus von der SA verbrannt. Mitglieder der SPD, darunter Ludwig Wild und Andreas Gentner, der Sohn des Bürgermeisters Hans Gentner waren im Triumphzug durch die Stadt ins Gefängnis geführt worden.
Eine besondere Dramatik lag in dem Geschehen vom 30.Januar 1933, als Ludwig Wild, Hans Braun und Wilhelm Bütten in einem Akt mutigen Aufbegehrens gegen die Nazis an einen Felsen zwischen Weidlwang und Hainbronn mit großen Lettern „Nieder mit Hitler“ geschrieben hatten.
Wurden zunächst die Hainbronner selbst verdächtigt, verriet sich Wilhelm Büttner in einer Creußner Gastwirtschaft. Wenige Tage später erschießt sich Wilhelm Büttner, Onkel von Walter Büttner, dem Fraktionsvorsitzenden in den 80er Jahren und Hans Büttner, derzeit Mitglied des Bundestages (Ingolstadt), im Pegnitzer Rathaus, als er wohl keinen Ausweg mehr sah.
Die Verhafteten Ludwig Wild und Hans Braun wurden zur Gestapo (Geheime Staatspolizei) nach Nürnberg gebracht, hatten aber Glück, als sie einige Wochen später, die Köpfe kahl geschoren, in ihre Heimatstadt zurückkehren konnten.
Hans Gentner wird 1933 erstmals in das Konzentrationslager Dachau gebracht, ein zweites Mal 1944 nach dem Attentat auf Hitler am 20.Juli, ferner verbrachte er sogenannte Schutzhaftzeiten in den Jahren 1934, 1939 und nochmals 1944 im Zucht- und Arbeitshaus St. Georgen Bayreuth, sowie im Gefängnis Nürnberg- Fürth der "Geheimen Staatspolizei".
In dem von Hans Gentner nach Kriegsende im Jahre 1945 verfassten Lebenslauf schreibt er: „Dies alles bedeutete meinen wirtschaftlichen Ruin und nur mit Hilfe meiner Kinder und guter Freunde konnte ich mein kleines Anwesen, wenn auch mit hoher Schuldenlast, erhalten.“
Der demokratische Wiederbeginn wurde durch den besonderen Einsatz von Sozialdemokraten in Pegnitz und deren moralische Integrität während des Nazi- Unrechtsregimes geprägt. Als nach dem Ende der Kampfhandlungen in Pegnitz (14. April 1945) am 20. April 1945 die ersten amerikanischen Panzer in die Stadt einrückten, war nach nur 12 Jahren das Ende der 1000- jährigen Reiches gekommen.
Die Fränkische Presse schreibt am 22.1.1946 über Hans Gentner: Pegnitz ist ein weithin bekanntes Städtchen. Seit Monaten versucht es, sich zu erneuern. Der Anreger dazu ist der in Pegnitz geborene und vor der Nazizeit gewesene, nun wieder eingesetzte Bürgermeister Hs. Gentner. Er war jahrzehntelang im Amt des Bürgermeisters von Pegnitz....
Ihm folgte als Bürgermeister mit Ernst Mellinghoff wieder ein Sozialdemokrat, der von 1946 bis 1952 amtierte.
Noch im Jahre 1945 entfaltete sich das politische Leben der Parteien wieder. Im Oktober 1945 erfolgte die Neugründung des Ortsvereins Pegnitz, im Januar 1946 als Gründungsmitglieder des SPD- Ortsvereins werden genannt: Anderer Hans, Bauernfeind Hans, Einsiedel Andreas, Fischer Konrad, Fronhöfer Johann, Gentner Andreas, Gentner Fritz, Gentner Hans, Gerstacker Georg, Hammerand Fritz, Hofmann Nikolaus, Köferl Peter, Lienhardt Georg, Mayer Wilhelm, Mellinghoff Ernst, Müller Fritz, Schmatz Josef, Sommer Max, Weiß Georg, Wild Wilhelm, Wiessner Josef.
Die herausragenden Persönlichkeiten seit 1945 waren der Sohn von Hans Gentner, Fritz Gentner sowie Hans Scheuerlein. Fritz Gentner war 20 Jahre Mitglied des Bayerischen Landtages (1958 - 78), von 1972 - 1984 Stadtrat, 12 Jahre Kreisvorsitzender des SPD- Kreisverbandes Pegnitz, von 1956 - 1984 Mitglied des Kreistages und Vorsitzender seiner Fraktion von 1956 bis 1972.
Aus der Tradition der Gewerkschaft kam die andere große Persönlichkeit der Pegnitzer Nachkriegs- SPD, Hans Scheuerlein (der in der Amag- Hilpert- Pegnitzhütte zum Schlosser ausgebildete Scheuerlein kehrte im Frühjahr 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück, trat am 1.Juli wieder in die Amag ein und gründete noch im gleichen Jahr die Gewerkschaftsjugend in Pegnitz.
Als sich seine besonderen Fähigkeiten zeigten, war es kein Zufall, dass Scherlein vom Mitglied des Betriebsrates über den Vorsitz dieses Gremiums bis zum Mitglied der Tarifkommission der bayerischen IG Metall aufstieg. Von 1973- 1979 gehörte Hans Scheuerlein dem Bayerischen Senat an. Als Sozialdemokrat war ihm auch das kommunalpolitische Engagement vorgezeichnet. Von 1952- 1981 war er Mitglied des Stadtrates und Fraktionsvorsitzender, von 1956- 1960 und nochmals von 1966- 1972 zweiter Bürgermeister der Stadt Pegnitz.
Als erste Arbeitsgemeinschaft im Ortsverein Pegnitz gründeten sich die Jungsozialisten. Die Gründungsversammlung fand am 25.9.1970 im Traditionslokal “Goldener Stern“ statt. Referent war MdL Horst Haase, vormals Bezirksvorsitzender der Jungsozialisten Mittelfranken. Das „jüngste Kind“ unter den SPD- Arbeitsgemeinschaften ist der Senioren- Arbeitskreis.
Fritz Gentner hatte sich bereit erklärt, das neugeschaffene Amt des Seniorenbeauftragten zu übernehmen. Das erste Treffen der Arbeitsgemeinschaft fand am 11.7.1988 statt, alle SPD- Mitglieder, die das 60. Lebensjahr überschritten hatten, waren dazu eingeladen. Zur Auftaktveranstaltung konnte der Ex- OB von Regensburg, Schlichtinger gewonnen werden. In einer weiteren Veranstaltung im September 1988 sprach der Landrat des Landkreises Schwandorf, Hans Schuirer, zum Thema „Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf“.
Am 17.8.1989 übernahm Erich Wagner die Leitung des Seniorenarbeitskreises. Das Programm der monatlichen seniorengerechten Nachmittagsveranstaltungen gibt Zeugnis von einer großen Bandbreite allgemeininteressierender Themen, die durchaus nicht immer im strengen Sinne politisch sein müssen.
Von der Frage „Was bringt der Euro?“, über den Besuch der Anlagen und Einrichtungen der Jura- Wasserversorgungsgruppe bis hin zum Thema „Probleme des Alterns“ fanden die Veranstaltungen regen Zuspruch. Dabei durfte auch das Gesellige nicht zu kurz kommen: Tagesausflüge, kulturelle Veranstaltungen, Diavorträge runden das vielseitige Programm ab.
Durch die Geschichte der SPD- auch der Pegnitzer SPD- zieht sich wie ein roter Faden der Kampf um soziale Gerechtigkeit und eine demokratische Ordnung. Viele mussten für diesen Kampf große Opfer bringen, auch Nachteile in Kauf nehmen oder gar, wie im Falle des jungen Wilhelm Büttner, das Leben lassen. Allen, gerade den vielen, die in einer solchen Chronik ungenannt bleiben, sei an dieser Stelle gedankt.
Dank zu sagen ist aber auch denen, die zum Zustandekommen dieses Aufsatzes beigetragen haben, allen voran Karl Hamouz, für das mühevolle Suchen nach Quellen und Dokumenten, ferner Dr. Christoph Rabenstein, Ronald Werner, Marlies Groß, Fritz Gentner und Peter Spätling für die Unterstützung.
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