Sein erster Weg führt in direkt unter das Genossenvolk. Small talk an der Biertischgarnitur. Dann der Griff zur Pfeife, seinem Markenzeichen. Peter Struck, scheidender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, machte am Dienstagabend Station in Pegnitz. Beim Sommer- und Grillfest des Ortsvereins. Mit dem Motorrad.
Klar, irgendwie war es schon auch eine Wahlkampfveranstaltung, gaben die Bundestagsabgeordnete Anette Kramme und der Ortsverbandsvorsitzende Oliver Winkelmaier im KURIER-Gespräch zu. Aber irgendwie auch wieder nicht. Weil Struck nämlich gar keine Wahlkampfreden mehr hält. Zumindest nicht vor großem Haus.
Nun, klein war das Auditorium nicht gerade, das sich da im und am alten Feuerwehrhaus eingefunden hatte. So um die 250 Leute kamen. Auch aus benachbarten Ortsverbänden, auch aus Bayreuth. Hätte man gewusst, dass die Resonanz derart üppig ausfalle, hätte man sich wohl nach einem anderen Veranstaltungsort umgesehen, meinten Winkelmaier & Co.
Doch der Stimmung tat die Enge im Inneren des Gebäudes keinen Abbruch. Die war vielmehr erstaunlich gut angesichts der Umfragewerte für die SPD in den letzten Monaten. Und Struck heizte sie in seiner unverwechselbaren Art noch an, als er – in voller Motorradkluft – dann zum Mikrofon griff. Denn ein bisschen Wahlkampf durfte schon sein an diesem Abend. Das hatte der kantige Norddeutsche zuvor zugesagt, so Anette Kramme. Zwar mache er eine Woche Bikerurlaub, doch komme er auf Anfrage gerne dorthin, „wo es ihm gefällt, vor allem eben zu kleinen Anlässen“.
Und es gefiel ihm in Pegnitz. Schon wegen der Musik. Die Bayreuther Old Stars jazzten auf hohem Niveau, was Saxofon und Posaune her gaben. Strucks spontaner Kommentar: „Ihr seid richtig gut.“
Ach ja, der Wahlkampf. Struck nahm kein Blatt vor den Mund, plauderte unverblümt aus dem Berliner Nähkästchen. Was einem Ausscheider aus der großen Politik – nach 29 Jahren im Geschäft – wohl noch leichter fällt als einem, der noch weitere sechs Jahre Rücksicht auf diesen und jenen nehmen muss.
Und so sparte Struck auch nicht mit Seitenhieben gegen die eigene Fraktion. Seinem Nachfolger werde er eine rote und eine schwarze Liste übergeben. Auf der roten – „keine Angst, Anette, da stehst du auch drauf“ – seien die guten, auf der schwarzen die weniger guten Gefolgsleute aufgeführt.
Und dann doch noch eine pointierte Randnotiz an Krammes Adresse: Er habe sie auf den Wahlplakaten erst gar nicht erkannt, so gestylt wie sie das in die Wählerschar blicke.
Dann klare Aus- und Ansagen. Immer noch stehe er hinter Schröders Agenda-Politik. Auch wenn sie der SPD viele Stimmen gekostet habe. Die Sozialdemokraten müssten darauf achten, weiter Regierungsverantwortung zu übernehmen: „In der Opposition werden wir uns nicht erholen, Opposition ist Scheiße, da kannst du nichts bewegen.“ Was ihm später in kleiner Runde den Widerspruch des Landtagsabgeordneten Dr. Christoph Rabenstein einbrachte, in Bayern komme die SPD mit dieser Rolle gut zurecht. „Da sind wir unterschiedlicher Ansicht“, konterte Struck knapp und trocken.
Zuvor hatte er unmissverständlich Position zur Kanzlerin bezogen: „Ich kann sie nicht leiden, sie kann mich nicht leiden.“ Zu oft habe Angela Merkel bei Sitzungen des achtköpfigen Koalitionsausschuss im achten Stock des Regierungsgebäudes in Berlin zum Beispiel beim Thema Mindestlohn allen Argumenten butterweich getrotzt, auch wenn sie selbst durchaus ähnlich denke. Doch aus Angst vor dem Wirtschaftsflügel ihrer Partei verweigere sie sich der gesetzlichen Festschreibung.
Schließlich noch Keile für die CSU, die eigentlich gar keinen eigenen Fraktionsstatus verdiene. Zu groß sei ihr Einfluss in Berlin. So verbinde ihn eine Freundschaft mit CDU-Generalsekretär Volker Kauder – „der ist zwar reaktionär, aber verlässlich“ –, aber auch der müsse immer erst die CSU fragen, ob „eine Vereinbarung zwischen uns auch umsetzbar ist.“
Erstes Ziel der SPD müsse es sein, Schwarz-Gelb zu verhindern. Szenenapplaus. Eine Neuauflage der großen Koalition sei „die letzte Möglichkeit“. Eher passe da noch die Ampel. Allerdings: Wenn er sich überlege, dass sich dann jeden Dienstag um 8 Uhr morgens beim Fraktionsfrühstück Westerwelle und Trittin gegenüber sitzen, „dann stelle ich mir das auch nicht einfach zu“.
Zu guter Letzt noch ein paar Ohrfeigen gegen Clement und Lafontaine, die – „im Gegensatz zu mir“ – vergessen hätten, was sie der Partei zu verdanken hätten. Unanständig sei das. Eine stolze Partei sei die SPD, viele, die sich jetzt links nennen, würden zu ihr zurückkehren, ist er sich sicher.
Am Ende wie schon bei seiner Begrüßung lang anhaltender Beifall optimistisch gelaunter Sozialdemokraten. Und dann draußen noch eine stark nachgefragte Autogrammstunde, ehe Struck sich wieder auf seine Maschine schwingt, um sein Nachtquartier anzusteuern. Begleitet von Bodyguards und einem Begleitfahrzeug. Ohne geht nicht – noch ist er ja Fraktionsvorsitzender ...
Schade, da geht wieder einer mit Ecken und Kanten, sind sich die Pegnitzer Genossen später am Abend einig. Ein ruppiger Typ mit viel Charme, weint ihm auch Anette Kramme einige verbale Tränen nach.
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Quelle: Nordbayerischer Kurier