Auch in der heutigen Ausgabe blickt der Kurier noch einmal zurück. Es geht aber nicht um etwas Leichtes wie Popmusik, sondern ein ernstes Thema. Anlass ist die Veranstaltung des „Freien Netzes Süd“ vor einigen Tagen. „Uns als SPDler hat es sehr weh getan, dass die Neonazis wieder beim Rathaus ihre Parolen verkünden konnten“, so der Ortsvorsitzende Oliver Winkelmaier gegenüber dem Kurier, „wo doch die Nazis hier im Jahr 1933 unsere Fahne verbrannt haben“.
Dieses Ereignis ist außer wenigen Sozialdemokraten und älteren Pegnitzern, die es vielleicht aus Erzählungen kennen, kaum noch bekannt. Aus aktuellem Anlass (das „Freie Netz Süd“ will am 1. Mai erneut in Hof aufmarschieren) erinnert der Kurier an diese schwarze Stunde der Stadtgeschichte.
Die Vorgeschichte und den Ablauf der Fahnenverbrennung hat der ehemalige SPD-Vorsitzende Reinhard Ullmann zusammengetragen und anlässlich der 100-Jahr-Feier des Pegnitzer Ortsvereins veröffentlicht.
Die SPD hatte sich bereits 1988 entschlossen, einen Geschichtsarbeitskreis zu gründen, in dem Zeitzeugen ihre Erinnerungen zusammentragen. Die schriftlichen Unterlagen, die bei dem damaligen SPD-Schriftführer Fritz Bauer in der Rosengasse untergebracht waren, sind nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aber beschlagnahmt und vermutlich vernichtet wurden.
Der Kurier bezieht sich aber auch auf einen Presseartikel über die 30er Jahre, in dem sich die beiden Pegnitzerinnen Anna Pilhofer und Babette Wagner an das vorige Jahrhundert erinnert haben. Letztere konnte sich auch an eine Bücherverbrennung auf dem Marktplatz erinnern. Die Namen der Täter und Mitläufer wollte sie aber nicht nennen. „Um des lieben Friedens Willen.“
Wer in der ersten Hälfte des Jahres 1933 in der Stadt das Sagen hatte, lässt aber heute noch in frei zugänglichen Zeitungsarchiven nachlesen. Und wie es zur Eskalation der Gewalt kommen konnte. „Bereits 1931/32 warnte der damalige SPD-Bürgermeister Hans Gentner gegen die heraufziehende braune Gefahr“, berichtet Ullmann. In Pegnitz erfolgte die Machtübernahme durch die Nazis in der Stadtratssitzung am 17. März 1933. Gentner war tags zuvor in Bayreuth, hatte wohl von Gerüchten der Machtübernahme gehört und wusste was ihn erwartete, wenn er in Pegnitz erkannt werden würde.
„In Pegnitz angekommen, ging Gentner zu seinem Nachbarn Preisinger, da ihm zu Hause schon die SA-Leute auflauerten. Von seinem Nachbarn begleitet, eilte der Pegnitzer Bürgermeister nach Michelfeld und fuhr von dort mit dem Zug zu seinem Schwiegersohn Max Sommer nach Freilassing und ließ sich über die Grenze nach Österreich schmuggeln.
Als wenige Tage später die Hakenkreuzfahne an der Giebelseite des Rathauses aufgezogen wurde, war für jeden sichtbar, dass die sozialdemokratische Ära in Pegnitz zu Ende gegangen war und die Herrschaft der Nationalsozialisten begonnen hatte. „Besonderen Stellenwert hatte die Jagd auf die SPD-Fahne, die Ludwig Wild heimlich vor der SA aus dem Gasthaus Stern hatte retten können, bei sich zu Hause versteckt hatte, jedoch von Wilhelm Büttner vor dem Zugriff der SA in Sicherheit gebracht wurde“, fährt Ullmann in seinem Text fort.
Nachdem mehrere SPD-Mitglieder daraufhin verhaftet worden waren, gab Wild das Versteck preis, und die Verhafteten wurden gegen Herausgabe der Fahne freigelassen.
Die Fahne selbst wurde vor dem Pegnitzer Rathaus von der SA verbrannt. Mitglieder der SPD, darunter Ludwig Wild und Andreas Gentner, der Sohn von Hans Gentner, waren im Triumphzug durch die Stadt ins Gefängnis (dem heutigen Jugendcafé Bartl) geführt worden.
Ullmann erinnerte auch an die dramatischen Ereignisse, nachdem Hitler Ende Januar zum Reichskanzler ernannt worden war. Ludwig Wild, Hans Braun und Wilhelm Büttner hatten in einem Akt mutigen Aufbegehrens gegen die Nazis an einen Felsen zwischen Weidlwang und Hainbronn mit großen Lettern „Nieder mit Hitler“ geschrieben. Zunächst wurden die Hainbronner verdächtigt, dann verriet sich Wilhelm Büttner aber selbst in einer Creußner Gastwirtschaft. Wenige Tage später erschoss sich Wilhelm Büttner. Er war der Onkel von Walter Büttner, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden in den 80er Jahren.
Die Verhafteten Ludwig Wild und Hans Braun wurden zur Gestapo nach Nürnberg gebracht, hatten aber Glück, als sie einige Wochen später, die Köpfe kahl geschoren, in ihre Heimatstadt zurückkehren konnten.
Quelle: Nordbayerischer Kurier